KIDS DESIGN WEEK, Das Kind als Schöpfer
Kaum war die Begeisterung um die Children’s Book Fair 2015 im norditalienischen Bologna abgeklungen, so durfte man sich über die Mailänder Kids Design Week 2015 freuen. Diese beiden Veranstaltungen weisen nämlich aus der Kinderperspektive einen deutlichen gemeinsamen Nenner auf: Sie rücken das Kind dahin, wo es hingehört, nämlich ins Zentrum des Geschehens – und damit den Erwachsenen an den Rand.
Wenn es bei der Buchmesse in Bologna darum ging, aus Kindern und Jugendlichen echte Buchautoren und -illustratoren zu machen, so ging es bei der Kids Design Week in Mailand darum, das Kind aus der ihm traditionell zugedachten Rolle des „reinen Konsumenten“ zu lösen und es zur „schöpferischen Instanz“ seiner eigenen Lebenswelt zu machen.
Diese Erkenntnis ist ganz im Sinne des französischen Semiotikers Roland Barthes, einer der bedeutendsten Kritiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu verstehen, der vor gut 60 Jahren die gesellschaftliche Rolle des Kindes speziell am Beispiel des Kinderspielzeugs in Frage stellte. Barthes‘ Kritik ist zu verstehen als eine Ermunterung dazu, das scheinbar Selbstverständliche stets zu überdenken und den Raum für notwendige Veränderungen zu schaffen. So bemühte man sich hier in Mailand tatkräftig darum, dem Kind endlich anzuerkennen, was es sicher besser als der Erwachsene kann: seinen eigenen Lebensraum zu gestalten, und zwar in allen Bereichen, von der Einrichtung seines Zimmers über sein Spielzeug bis hin zu seinen Alltagsgegenständen.
Das Kind als Mit-Gestalter und MIT-Veranstalter seiner eigenen Welt
Die Kids Design Week fand vom 14. bis zum 19. April parallel zur traditionellen Hauptveranstaltung „Salone del Mobile“, der Möbelmesse, statt und ist die allererste in sich geschlossene Veranstaltung gewesen, bei der es sich alles ausschließlich um das kindergerechte Design drehte. Eine echte Premiere also! Die wahre Sensation bestand aber darin, dass Kinder in der für sie ungewohnten Rolle der Mit-Gestalter und Mit-Veranstalter der Messe auftreten durften. Noch keine wirkliche Revolution, zugegeben, aber immerhin ein erster vielversprechender Ansatz dazu, das Kind in den Prozess der Entwicklung seines eigenen Objektkatalogs einzubeziehen.
Denn es hat sich endlich die Überzeugung durchgesetzt, dass ein „neues“ Gestalten von Objekten für Kinder an der aufmerksamen Beobachtung des Kindes in seinem natürlichen Verhalten ansetzen muss. So wetteiferten in zahlreichen Workshops Kinder mit Erwachsenen um die tollsten Ideen, z.B. als Spieleentwickler, und an den vielen Ständen durften Kinder nach Herzenslust experimentieren, bauen und umbauen, alles ausprobieren, was nur möglich war.
Nur Eine erlesene Schar von Ausstellern und Designern
Und eingeladen wurden nicht gerade die erstbesten Möbel- und Spielzeugaussteller der Branche, sondern nur eine relativ kleine Gruppe von Designern und Produzenten aus mehreren Ländern Europas und Nordamerikas (etwa 50 an der Zahl). Die meisten Aussteller und Designer kamen aus Deutschland, den Niederlanden, Italien, den USA, Spanien und Frankreich, einzelne aus Belgien, Österreich, Schweden, der Schweiz, Slowenien und Ungarn. Allen diesen Menschen ist gemeinsam, dass sie eine einfallslose Massen-Reproduktion von Objekten aus der Erwachsenenwelt entschieden ablehnen und neue Wege im Kinderdesign gehen wollen. Ihren Werken legen sie die Vorstellungskraft und die Spontaneität des Kindes als wichtigste Gestaltungsprinzipien zugrunde.
Die nächste Edition der Kids Design Week kommt bestimmt!
Durchaus erwähnenswert ist auch die Kulisse, in der die Veranstaltung stattfand, nämlich in den Räumen des „Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia Leonardo da Vinci“, wo Segelschiffe, Flugzeuge und Züge aus alten Zeiten eine belebende und kontrastreiche Kulisse zu den Exponaten bildeten.
Alles in Allem stellte diese erste Edition der Mailänder Kids Design Week einen lobenswerten Versuch dar, den Fokus auf das Design für Kinder – und von Kindern! – zu richten. Besucht wurde sie von über 10.000 Interessenten – eine gute Zahl, um auf diesem Weg weiterzumachen. Wir dürfen also auf die nächste Edition gespannt sein sowie darauf, ob dieses Konzept sich auf Dauer bewähren und größere Autonomie erlangen kann, wie dies etwa den Editionen der Pitti Bimbo im Bereich der Kindermode in eindrucksvoller Weise gelungen ist.
TROUBLE UNDERSTANDING GERMAN? JUST VISIT DEEPL AND YOU’RE DONE!
All Photos from Kids Design Week
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